Es kommt häufug vor, dass ihr nicht die einzigen Auszubildenen in einem Betrieb seid. Es gibt da verschiedenste Varianten. Es gibt größere Lehrwerkstätten, da sind oft mehrere Lehrjahre in unterschiedlich großer Anzahl vertreten. Manche Betriebe handhaben es so, dass sie immer einmal ein drittes und einmal das erste Lehrjahr haben. Und damit kommen wir schon zu den taktischen Tricks. Hinter diesem Modell steckt der Gedanke, dass der/die Auszubildende im dritten Lehrjahr dem ersten Lehrjahr hilft und Wissen vermittelt. Dies ist natürlich nicht Ausbildungsinhalt, kann aber durchaus seine Vorteile haben. Wenn du das Gefühl hast, dass deine Ausbildung auf der Strecke bleibt, weil du "nur" dem älteren Auszubildenden zur Hand gehst, solltest du das bei aller Kollegialität nicht auf dir sitzen lassen. Im besten Falle könnt ihr zusammen mit eurem Ausbilder sprechen.
Im besten Fall stehen sich natürlich die verschiedenen Auszubildenden solidarisch zur Seite. Das heißt Aufgaben werden so verteilt, dass nicht der/die "Neue" die ganze Zeit fegen und aufräumen muss. Vielmehr können ältere Auszubildende dem/der Meister*In auch mal einen Tipp geben, dass ja auch nochmal Lehrübungen im ersten Lehrjahr dran sind. Auch Werkzeuge, Schulbücher, Wissen über die schwierige Kolleg*Innen oder über dem Umgang mit der Chefetage könnten weiter gegeben werden. Irgendwie sitzt man im selben Kahn und die Älteren sollten nicht vergessen haben wie es ist, "neu" zu sein.
Dass das leider nicht immer so klappt ist uns auch bekannt. Oft finden es auch schon Mitauszubildende aus höheren Lehrjahren "cool", Kolleg*Innen, die vermeintlich unter ihnen stehen, zu schikanieren. Dies ist für uns genau das falsche Verhalten. Selbstverständlich muss man sich nicht bester Freund mit jedem/er Lehrlingskolleg*IN sein, aber man sollte zumindestens eine "Schicksalsgemeinschaft" bilden. Schwieriger wird das dann, wenn andere Auszubildende Nazis sind oder anderweitig nicht erträgliche Meinungen haben. Es bleibt der Punkt, dass wir im Betrieb alle unsere Arbeitskraft verkaufen und versuchen das bestmögliche dafür rauszuschlagen. Wir alle sind den Launen der Chefetage ausgesetzt. Dem können wir etwas entgegensetzen, wenn wir uns organisieren. Als Auszubildende und damit leider oft als absolute Befehlsempfänger*in, ist das besonders wichtig.
"Der Auszubildende meines Betriebs im Lehrjahr über mir war der Sohn vom Chef. Er durfte immer die ganzen interessanten Aufgaben machen, während ich das abbekam, was übrig blieb. Mit Solidarität untereinander war da nicht viel. Als ich dann im Zweiten war, habe ich versucht mich gegenüber dem neuen Auszubildenden anders zu verhalten. Wir haben gut zusammen gehalten und unsere Erfahrungen immer eine Generation weiter gegeben. Wir treffen uns heute noch ab und zu als ehemalige Auszubildende."
"Ich hatte ein Scheiß erstes Lehrjahr! Als ich dann endlich ins zweite und ein neuer Lehrling ins erste kam, war ich richtig erleichtert. Ich habe dann tatsächlich auch verantwortungsvollere Aufgaben bekommen, während "der Neue" sich mit altbekannten Geschichten rumplagen musste. In mir gab es einen Moment der Befriedigung, weil ich diese Phase überwunden hatte und weil ich irgendwie auch wollte, dass alle anderen den selben Scheiß durchmachen müssen wie ich. Warum sollte es jemand besser haben? Dann habe ich einen richtigen Schreck bekommen und gemerkt, dass ich genauso argumentiere wie mein verhaßter Chef! Ich habe mit dem Neuen gesprochen, aber der wollte nichts an seiner Situation ändern, er hatte zu viel Schiss aufzufallen. Noch ein Jahr später, als ich im Dritten war, hat es mit dem neuen Ersti besser geklappt. Wir haben zusammen einige Veränderungen erreicht, auch wenn wir uns vor dem Auszubildenden im zweiten Lehrjahr in Acht nehmen mussten. Der ist irgendwie auf dieser "Nach oben buckeln, nach unten treten"-Schiene hängen geblieben. "