Arbeitssicherheit

Laut Statistik findet alle acht Minuten in Deutschland ein schwerer Arbeitsunfall statt. Laut der Berufsgenossenschaft Bau haben Menschen unter 25 Jahren, und damit in der Regel auch Auszubildende, doppelt zu oft Arbeitsunfälle wie ältere Arbeiter*Innen. Hauptgrund dafür ist neben Unerfahrenheit vor allem Selbstüberschätzung.

Ein schwerer Arbeitsunfall kann dich dein Leben lang zeichnen, dich an den Rollstuhl fesseln oder dich sogar umbringen. Keine Erfahrung und keine Profilierung gegenüber Kolleg*Innen kann das bei einem hohen Risiko aufwiegen.

Klar, wir beginnen die Ausbildung und haben von den meisten Dingen erst mal keine Ahnung. Da ist es nur natürlich, dass wir in neue Situationen kommen, neue Werkzeuge benutzen müssen und Verantwortung übernehmen. Darum machen wir die Ausbildung ja. Das Erlernen von Fertigkeiten oder das Kennenlernen von Abläufen, gerade wenn noch Maschinen benutzt werden, sind in der Bau-Ausbildung immer mit einem Risiko behaftet. Also geht es jetzt darum, das Risiko richtig einzuschätzen.

Zentral ist, dass du dich in Abläufe und Maschinenbenutzung richtig einweisen lässt, bis du dich mit der Aufgabe, vor der du stehst, sicher fühlst. Lieber dreimal nachfragen als einmal einen unwiderruflichen Fehler zu machen. Eigentlich darfst du erst mit einem Maschinenschein an Maschinen in der Firma arbeiten (der kommt Ende des Ersten oder im zweiten Lehrjahr), aber wenn du gut eingewiesen wirst und dich dazu in der Lage fühlst, spricht aus unserer Meinung nichts dagegen, sie auch schon vorher zu benutzen.
Wenn dich ältere Kolleg*Innen mit viel Erfahrungen einweisen, reagieren sie vielleicht genervt auf deine Fragen oder bringen so Macker-Sprüche wie „jetzt stell dich nicht so an“ oder ähnliches. Versuch da cool zu bleiben und dich nicht einschüchtern zu lassen. Logik und Erfahrungswerte sprechen für dich und nur weil der Typ die Maschine schon seit 30 Jahren benutzt, musst du nicht gleich nach fünf Minuten die selbe Sicherheit an den Tag legen. Das kommt mit der Zeit von ganz alleine. Denk immer daran, was alles schief gehen kann, wenn du einen Fehler machst. Du gefährdest dich und auch andere wenn du hier leichtfertig agierst. Mit ein wenig Selbstvertrauen kann man den Kolleg*Innen auch mal einen Spruch an den Latz knallen, dass sie sich ihr Mackerverhalten klemmen können. Unglaublich hilfreich ist es sich hier mit älteren Auszubildenden auszutauschen, die den gleichen Lernprozess mit den Maschinen (und Ausbildern) schon durch haben.

„Wir hatten einen Kollegen im Betrieb, der nie um Hilfe fragen konnte und jede noch so schwere Last alleine durch die Gegend getragen hat. Wenn ich ihn mal um Hilfe fragte, bekam ich meist eine motzige Antwort, sodass ich mich bald nicht mehr traute und auch schwere Dinge alleine trug. Bis ich dann erfahren habe, dass der Kollege auch deswegen so mürrisch war, weil er seit vielen Jahren auf Schmerzmitteln zur Arbeit kommt und ein total verschlissenen Körper hat. Seitdem frage ich wieder. Ich möchte nicht so enden wie mein Kollege!“

„Ich habe die ganzen Handmaschinen ohne Strom noch mal und noch mal auseinander genommen, zusammengebaut und eingestellt, bis ich ganz sicher mit ihnen war. Meine Kollegen waren von meinem Engagement ziemlich beeindruckt und haben mich machen lassen.“

„Ein Kollege wollte mit mir Aluschienen schneiden und hat dafür eine spezielle Säge verwendet, bei der das Sägeblatt komplett frei drehte, 20 cm von seiner Brust entfernt. Von einem Schutz war nichts zu sehen. Als ich dann weitermachen sollte, habe ich mich mit Verweis auf die Arbeitssicherheit geweigert. Das gab einen ganz schönen Streit, aber ich bin da stur geblieben und bis heute froh darüber. Mein Chef hat schließlich eine neue Schutzvorrichtung gekauft.“

Jedes Jahr muss der ganze Betrieb eine Unterweisung im Umgang mit allen in der Firma vorhandenen Maschinen durchführen. Macht er das nicht, macht er sich strafbar und du dürftest die Maschinen eigentlich nicht benutzen. Klar sieht das in der Praxis anders aus. In einem solchen Fall lohnt sich die Rücksprache mit der Gewerkschaft oder der Handwerkskammer, wenn du bei deinem Chef auf taube Ohren gestoßen bist und das Gefühl hast, dass die Maschinen dich gefährden könnten.

Arbeitsunfälle dokumentieren (wegen möglicher Spätfolgen)

In jedem Betrieb muss ein Buch existieren, in dem Arbeitsunfälle dokumentiert werden. Es kann zwar zwischendurch nerven jede Lappalie die dir passiert aufzuschreiben, aber wenn du es nicht tust hast du später keinen Anspruch auf Leistung, sollte sich doch eine ernsthaftere Beeinträchtigung ergeben. Also wenn du nur einen kleine Schnittwunde hast und die sich infiziert, ohne das du die Verletzung eingetragen hast, stehst du am Ende alleine da. Du musst selber einschätzen was du aufschreibst und was nicht, aber lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig. Auf so Aussagen wie „Wenn doch was schlimmeres passiert tragen wir die Verletzung eben nachträglich ein“ solltest du dich nicht verlassen. Wenns teuer wird, könnte dich dein Betrieb hängen lassen.

„Den einen Tag habe ich mit meinem Chef zusammengearbeitet und schwere Lasten mit dem Kram bewegt. Der Kran wird nach Stunden bezahlt, deswegen hat der Chef mich immer wieder zur Eile getrieben. Natürlich hat er die Steuerung des Krans bedient. Dann kam es wie es kommen musste: Ich ließ mich stressen und war unachtsam. Mein Finger wurde in einem Spanngurt eingeklemmt und abgerissen. Er war unwiederbringlich verloren. Mein Chef hat alle Schuld von sich gewiesen und ich bin eingeknickt, habe ihn nicht angezeigt oder das Gespräch gesucht, weil ich ja auch meine Ausbildung abschließen wollte. Ich bereue mein Schweigen, aber auch, dass ich mich so habe stessen lassen, bis heute.“

Sicherheitsschuhe, Atemschutz, Kopfhörer!!! Betrieb muss das stellen

Wenn du im Bau- und Handwerksgewerbe arbeitest, gibt es nicht nur Gefahren durch tatsächliche Unfälle, sondern auch andere Einwirkungen, die deine körperliche und psychische Gesundheit beeinträchtigen. Lärm, rumliegende Nägel, Stäube, Chemikalien und Funken schädigen dich vielleicht nicht unmittelbar, dafür aber langfristig. Das lässt sich durch geeignete Arbeitsschutzmittel vermeiden. Diese muss dir dein* Chef*in stellen. Bevor du sie nicht hast kannst und solltest du Aufgaben verweigern, die dich einer der oben genannten Gefahren aussetzen oder dir kurzfristig von Kolleg*innen Ersatz besorgen. Klar sieht es manchmal albern aus oder ist lästig, aber meine Fresse, du willst dein Gehör und dein Gespür in den Fingern auch noch 60 Jahre behalten, also tu was dafür.

Sicherheitsschuhe solltest du unbedingt tragen, auch die muss dir der Chef stellen. Du hast Anspruch auf ein Paar pro Jahr. Wenn dir dein*e Chef*In blöd kommt, kann die Berufsgenossenschaft, die für dein Gewerk zuständig ist, dein Ansprechpartner sein, den Sie stellt das Regelwerk für Arbeitsschutz auf, welches für deinen Betrieb bindend ist.

Wenn der Chef knausrig ist bezüglich guter Arbeitsschuhe und alles argumentieren nichts hilft, lass dir das Geld auszahlen und leg den Rest selber drauf. Die Kosten kannst du später über eine Einkommenssteuererklärung wieder reinholen.

Physische Belastung

Bau ist kein Zuckerschlecken und wahrscheinlich wird dein Körper nach Feierabend wissen, was du den ganzen Tag getan hast. Damit du noch in ferner Zukunft was von deinem Körper hast, solltest du gut auf ihn aufpassen. Dein Rücken ist wahrscheinlich am meisten gefährdet, weswegen du höchstwahrscheinlich eine kleine Rückenschule von deiner BG in der Ausbildung bekommen wirst. Auch wenn es manchmal albern aussieht: halte dich dran, du wirst es nicht bereuen. Wenn die Bandscheibe einmal im Arsch ist, hast du dein Leben lang dran zu knabbern. Lass dich nicht stressen, lauf lieber zweimal als einmal zu vollgepackt oder frag eine*n Kollge*in um Hilfe. Schau dir an, wie ältere Kolleg*innen bestimmte Aufgaben ausführen und eigne dir ihre Bewegungen an. Die meisten geben auch gerne Tipps, wie du Aufgaben am leichtesten durchführen kannst. Wenn du dich hier zusammenreißt, hast du mehr vom Feierabend und sehr viel mehr vom Rest deines Lebens, so pathetisch das auch klinkt. Wenn man die BG anschreibt, kann man übrigens auch einen eigenen Lehrgang organisieren (z.B.: Intensivkurs für Bauleute zum Tragen von Lasten).

Psychische Belastung

Im Kapitalismus wird die menschliche Arbeitskraft ausgebeutet bis es nicht mehr geht. In den letzten Jahrzehnten hat das Auftreten von psychischen Krankheiten wie Burnout oder Depression rasant zugenommen, was auch eine nur all zu menschliche Reaktionen auf zunehmenden Leistungsdruck an der Arbeit, Unsicherheiten bezüglich Arbeitsplatzsicherheit und Anforderungen an Flexibilität und Erreichbarkeit sind. Als Auszubildender bist du davon genauso betroffen wie alle übrigen Arbeiter*innen. Leistungsdruck, Wochenendarbeit, unbezahlte Überstunden, Diskriminierung und permanente Erreichbarkeit können auch dich treffen. Schieb dem einen Riegel vor, wenn bei dir eine Grenze erreicht ist. Die Ausbildung oder deine Arbeit ist nur ein Aspekt deines Lebens und sollte nicht alles drum herum bestimmen und dich noch lange bis in den Feierabend verfolgen. Solange wir nur angestellt sind und nichts im Betrieb mitzubestimmen haben, sprich, solange die Produktionsmittel so verteilt sind wie sie es sind, haben wir nix davon uns noch mehr ausbeuten zu lassen, als wir das eh schon werden. Dafür ist das Leben zu schön.
Du musst als Auszubildender keine Überstunden machen, Samstagsabeit ist Verhandlungssache, bei übermäßiger Ausbeutung hört Kollegialität auf und so wie andere ihr Arbeitsleben regeln, muss das für dich sowas von überhaupt nicht der Maßstab sein. Es ist dein Leben, du sagst Stopp. Und alleine du kannst auf dich aufpassen und das solltest du auch tun. Es ist und bleibt nur Arbeit. Arbeit, die wir zum weiten Teil nicht selbst bestimmen können und deren Früchte wir nicht einfahren. Also pass auf dich auf, hör auf die Signale deiner Psyche und deines Körpers. Notfalls lass dich krankschreiben, dass geht auch bei Stress, die Ärzte wissen das. Du bist alleinig dir Rechenschaft schuldig.

Alk und Drogen auf dem Bau

Alkohol und Drogen sind ein Thema für sich, nur so viel dazu: Alkohol und Drogen verändern dein Körpergefühl, dafür sind sie ja irgendwie auch da. Wenn du mit gefährlichen Maschinen arbeitest solltest du hochkonzentriert sein und deswegen passen Drogen nicht wirklich in das Arbeitsleben. Auch hier gilt, du musst selbst wissen was geht und was nicht. Gib deiner*m Chef*In keinen Grund dich wegen sowas rauszuschmeißen.

Arbeitsverletzung - Schwäche zeigen?

Du wirst dich irgendwann verletzen in deiner Ausbildung, das liegt in der Natur der Sache. Wie die Verletzung aussieht und welche Folgen sie haben kann, hängt auch stark von deinem Gewerk ab. Was aber überall das selbe ist Unfälle passieren und sollten auch mit dem notwenigen Ernst reflektiert werden. Lass dir nicht einreden, dass Verletzungen eine Art von Schwäche darstellen. Viel mehr solltest du überlegen was du falsch gemacht hast und wo die Ursache lag. Nur so kannst du sie in Zukunft verhindern und auch Kolleg*Innen darauf hinweisen, dass ihnen nicht das selbe passiert wie dir.

Verweise:
Jugendarbeitsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/jarbschg/gesamt.pdf
Arbeitsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/arbschg/gesamt.pdf
BG Bau: http://www.bgbau.de/
BG HM (Holz Metall): https://www.bghm.de/

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