Verhandlungsposition

Verhandlungsposition

In der Regel ist es wahrscheinlich so, dass du eine Firma anhaust und fragst, ob du eine Ausbildung bei ihnen machen kannst. Das heißt, du kommst in die Firma und willst etwas. Das bringt dich erst einmal in eine unterlegene Position, aus der du schnell heraus musst, denn sonst kannst du in der Verhandlung um deinen Ausbildungsvertrag nur verlieren.

Im Kapitalismus erwirtschaften die Betriebe aus der Arbeitskraft, die du für die Firma aufwendest, einen Gewinn. Das heißt, du bietest deinem Chef an, mit dir und dem, was du leistest, Geld zu verdienen. Dass er einen potentiellen Platz für dich hat und dich gebrauchen kann, siehst du daran, dass er dich zum Bewerbungsgespräch eingeladen hat. Wenn du mehr forderst und auch bekommst, heißt das nicht, dass der Firma Geld flöten geht. Diese kann die zusätzlichen Kosten auf ihre Kunden umlagern. Oft sieht die Praxis sogar so aus, dass Auszubildende als Gesellen abgerechnet werden und somit die Gewinne für die Firma höher sind. Was gut für dich ist, ist also nicht zwingend schlecht für die Firma. Was sie aus deiner Arbeitskraft macht und wieviel Gewinn sie erwirtschaftet, ist Sache der Geschäftsleitung und braucht dich nicht anzugehen. Bei kleineren Betrieben können die Spielräume in solchen Verhandlungen auch kleiner sein, dafür haben sie aber andere Vorteile. Du siehst also, wenn du schon in der Firma sitzt, gibt es keinen Grund sich wegzuducken oder alles zu akzeptieren, was dir aufgetischt wird. Ihr wollt beide etwas voneinander. Ihr habt beide gewisse Erwartungen und müsst euch einigen. Sicher wird es auch für dich ein Kompromiss, aber du kannst und solltest ihn mitgestalten. Essentiell ist es, dass du deine Rechte kennst, damit du mit ihnen argumentieren kannst.

"Da ich in meinem Betrieb die ganze Zeit allein war und sich niemand um mich kümmerte, wusste ich, dass ich meine Firma wechseln wollte. Nach diesen ersten 2 Monaten wusste ich nun, worauf es ankam und es war mir sehr wichtig, dass mein neuer Betrieb den Ausbildungsrahmenplan einhält. Beim Vorstellungsgespräch habe ich auch gleich gesagt, dass es mir wichtig ist, nicht nur Aushilfskraft zu sein, sondern auch etwas zu lernen. Ich schlug vor, den Ausbildungsrahmenplan, den jede Tischlerei mit dem Ausbildungsvertrag von der Handwerkskammer zu geschickt bekommt, durchzugehen. Das taten wir auch gleich am ersten Arbeitstag. Und ich kann sagen, dass ich nicht nur putzen, sondern auch hobeln, sägen und andere Sachen machen darf und muss."

Es ist eine gute Strategie, wenn du das gewohnte Spiel umdrehst und offensiv bist - was können sie mir bieten; warum sollte ich die Ausbildung bei ihnen machen? Gerade in Zeiten, in denen immer weniger Leute eine Ausbildung im Handwerk machen, sollten sich die Firmen um Auszubildende bewerben und nicht anders herum. Bring sie also dazu, dir ein Angebot zu machen, denn sonst gehst du eben zu einer anderen Firma, die dir ein besseres Angebot gemacht hat (ob das so ist, brauch deine Firma ja nicht zu wissen). Wie wird hier der Ausbildungsrahmenplan umgesetzt? Ist jemand speziell für die Ausbildung zuständig? Bring sie ins Schwitzen! Wir denken, dass mit dieser Strategie am ehesten Forderungen durchzusetzen sind.

"Bei meinem Vorstellungsgespräch in der Tischlerei kamen wir nach einer Weile auch auf das Thema Urlaub zu sprechen. Ich hatte mich vorher informiert und wusste, dass mir gesetzlich 20 Urlaubstage zu stehen. 20 Urlaubstage, 4 Wochen? Das ist mir zu wenig. Also erzählte ich zurückhaltend, dass ich ein sehr reiselustiger Mensch bin und da ich ja auch noch so jung sei, wolle ich natürlich auch Erfahrungen sammeln, die mir in meinem Beruf auch mal nützlich sein könnten etc. und schwupps wurden aus den 20 Urlaubstagen 25."

Natürlich klappt das nicht immer. Du wirst schnell merken, ob die Firma dich wirklich haben will oder ob du um den Ausbildungsplatz kämpfen musst. Unter Umständen ändert sich deine Verhandlungsposition auch, wenn noch fünf andere Bewerber*Innen auf den gleichen Ausbildungsplatz scharf sind.

Jetzt geht es darum, dich möglichst gut zu verkaufen. Versuche Punkte zu benennen, die dich für deinen Betrieb interessanter machen. Das können Erfahrungen, erlernte Fähigkeiten oder Eigenschaften von dir sein. Überlege dir vorher, was du gut kannst und warum es besonders toll für den Betrieb ist, gerade dich auszubilden. Du bist handwerklich geschickt, hast gute Umgangsformen, das Bauen ist Familientradition, könnten einige dieser Punkte sein. Du kannst auch einzelne Punkte verrechnen , indem du zum Beispiel auf ein paar Urlaubstage verzichtest und dafür den vollen Tariflohn bekommst. Oder du schlägst vor, dass du dein Werkzeug selber kaufst und dafür 30 Tage Urlaub bekommst. Dir sind da wenig Grenzen gesetzt, solange du dich im Rahmen des Gesetzes bewegst. Das ist ziemlich eklig, aber unter Umständen der einzige Weg an einen halbwegs vernünftigen Ausbildungsplatz zu kommen. Leider bedeutet das auch, dass du dich gegen andere Bewerber*Innen durchsetzen musst. Mit unserem solidarischen Anspruch hat das nichts zu tun. Da es bisher keine Möglichkeit gibt, dass sich alle Bewerber*Innen treffen und abstimmen, wissen wir nicht wie wir diesen Widerspruch auflösen können. Ein Grund mehr sich zu organisieren!

Wir finden, dass es wichtig ist sich in allen Situationen zu behaupten und sich nicht alles gefallen zu lassen. Gleichzeitig sind wir in den Verhandlungen um den Ausbildungsvertrag angreifbar, weil wir noch keinen Rechtsschutz wie nach der Unterschrift beanspruchen können. Die Verhandlung bleibt ein Drahtseilakt zwischen selbstbewussten Auftreten und Kompromissbereitschaft. Nur, wenn du dir zu viel gefallen lässt, wirst du es später schwer haben sich aus dieser Position wieder heraus zuarbeiten.

Ein Bewerbungsgespräch kannst du vorher üben und verschiedene Situationen durchspielen. Versuche dich nicht zu verkleiden, aber achte auf den Eindruck, den du mit deinem Auftreten erweckst. Du bist übrigens nicht verpflichtet nach der Ausbildung in der Firma zu bleiben. Wenn dir dein Chef das mündlich oder gar schriftlich abringt, kannst du dem zustimmen, aber da es nicht rechtens ist, kannst du am Ende der Ausbildung trotzdem abhauen. Lass dich im Gespräch nicht einschüchtern. Wichtig ist, was danach wirklich im Vertrag steht und nicht was dir mündlich zugesichert wird! Am besten lässt es sich verhandeln, wenn du andere Betriebe in der Hinterhand hast, die auch bereit wären dich auszubilden. Oder du kannst das nächste Jahr noch überbrücken und probierst es in zwölf Monaten noch einmal, wenn dein favorisierter Betrieb dieses Jahr schon einen Auszubildenden hat.

„Ich habe zwei sehr unterschiedliche Bewerbungsgespräche im Zusammenhang mit meiner Ausbildung gehabt. Das erste lief so ab, dass ich versucht habe, mich als „der Beste“ für den Ausbildungsplatz zu verkaufen. Ich habe bei Ansagen wie "20 Prozent unter Tariflohn" sofort abgenickt, weil ich zu der Zeit unbedingt mit der Ausbildung anfangen wollte. In dem Betrieb war ich genau ein Jahr, bis ich einen anderen, besseren gefunden habe. Bei dem anderen Betrieb war es von Anfang an ein Gespräch auf Augenhöhe. Mir wurde ganz klar gesagt, wie die Ausbildung aussehen wird und unter welchen Bedingungen das alles abläuft. Auch hier habe ich versucht den Ausbildungsplatz zu bekommen, aber das Gefühl war von Anfang an besser, da eine Atmosphäre geschaffen wurde, in der ich mich nicht verkaufen musste. “

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