Es gibt immer wieder Momente auf einer Baustelle, bei denen man wegschauen muss oder einfach nur ein Kopfschütteln angesagt ist. Teilweise bringen sich Kolleg*Innen sinnlos in Gefahr und scheißen auf jeglichen Arbeitschutz. Manchmal wird auch so stark gepfuscht, dass die fatalen Konsequenzen entweder schon klar oder noch gar nicht absehbar sind. Und wir Auszubildenden dazwischen. Wir sind zwar noch keine Gesell*Innen, aber haben unsere Sicht auf die Dinge. Manch Kletterkunststück auf dem Gerüst oder gewagter Umgang mit der Maschine lässt uns nur erschrecken und fragen, wer jetzt hier schon mal einen professionellen Umgang gelernt haben soll und wer nicht.
Ganz klar ist, dass du dich nicht selber für solche Kletterkunststücke hergeben musst. Mach nichts, wo du nicht sicher bist, dass du danach noch ganz bist! Wir lassen uns viel zu oft zu gefährlichen Aktionen auf der Baustelle hinreißen, dabei ist der ganz normale Baualltag schon gefährlich genug. Wenn dir etwas zu heikel ist, sagst du das am besten unmissverständlich deinen*r für dich zuständigen Kollegen*In. Wenn sie dich richtig hart nerven, kannst du dich, falls ihr einen habt, an den Sicherheitsbeauftragten der Baustelle (gibts meist auf größeren Baustellen und wird dort ausgewiesen) wenden. Wenn sie dir mit dem/der Chef*in drohen, dann nimm das erstmal hin. Bleibt abzuwarten, wie in der Chefetage reagiert wird.
Wenn dein Chef*in sich komplett daneben benimmt und selber sagt, du müsstest so einen Scheiß machen, dann kannst du zum Gewerbeaufsichtsamt gehen und dich dort beschweren. Denn dein Betrieb ist verpflichtet sich um deinen Arbeitsschutz und deine körperliche Unversehrtheit zu kümmern. Genauso muss dein Betrieb dafür sorgen, dass immer eine für die Ausbildung verantwortliche Person in deiner Nähe ist, was hoffentlich ausschließen sollte, dass Personen dich wissentlich in Gefahr bringen. Falls die Verantwortliche ihre Aufgaben nicht wahrnimmt, kann ihr die Ausbildungseignung abgesprochen werden. Auch das ist ein gutes Druckmittel. Sprich das an und fordere eine sichere Ausbildung ein. Du kannst auch mit deinen Berufsschullehrern, dem Ausbildungsverantwortlichen der Handwerkskammer oder dem "Lehrlingswart" der Innung sprechen. Ratsam ist bei sowas auch auf jedenfall die für dich zuständige Gewerkschaft. Mangelnde Arbeitssicherheit war seinerzeit mit ein Gründungsgrund für Gewerkschaften. In einigen Ländern (in jüngerer Zeit zum Beispiel Türkei und Südarika), gab es schwere Unruhen von Arbeiter*innen, nach Grubenunglücken mit vielen Toten, die durch mangelnde Arbeitsplatzsicherheit zustande kamen.
"Das erste was meine Kolleg*innen auf dem Bau mit einer neuen Hand- oder Tischkreissäge machen, ist die Sägeblattabdeckung mit Draht dauerhaft hochzubinden. Bei einer Maschine war das freidrehende Sägeblatt auf Kopfhöhe ohne Schutz. Als ich an der Maschine was zusägen sollte hatte ich einen richten Schweißausbruch. Ich habe mich geweigert und auf die mangelnde Arbeitssicherheit hingewiesen. Das zog einige Beschimpfungen nach sich, aber hat mich eher bockig gemacht. Ich habe tatsächlich während meiner ganzen Ausbildung niemals diese Maschine benutzt."
Etwas anderes ist es, wenn ihr fachlich falsche Arbeiten am Bau ausführen sollt. Wir haben in unsere Gruppe darüber diskutiert und festgestellt, dass wir in den meisten Fällen kein riesen Fass aufmachen. Meist ist der Fehler den Stress den man machen könnte und müsste nicht wert. Anders wird es wenn du Symphatien für die Bauherren empfindest. Vielleicht kannst du sie dann hinterm Rücken vom Chef darauf aufmerksam machen und dadurch eine Veränderung bewirken ohne dich selber in die Schußlinie zu bringen.
Du bist nur haftbar für Dinge, die du grob fahrlässig verzapfst. Sprich, wenn du betrunken die neuen Fenster auf der Baustelle einschmeißt (lass dich nicht erwischen :)). Hier kann dann deine private Haftpflicht greifen. Checke das am besten bei deiner Versicherung. Wenn du als Auszubildener noch über deine Eltern haftpflichtversichert bist, kläre am besten, ob das auch Schäden in deinem Beruf abdeckt. Ist auf jeden Fall nicht schlecht und eventuell nimmt es dir etwas den Druck. In den anderen Fällen greift normalerweise immer die Betriebshaftpflicht oder der Unternehmer haftet. Also wenn du ewtas falsch eingebaut hast, weil es dir nicht besser gezeigt oder ordenlich überwacht wurde und wenn dir etwas in der Firma kaputt geht.
Zum Ende kurz zusammengefasst: lass dich auf keine fahrlässigen Sachen ein, sei mutig und mach den Mund auf. Nutze dein gelerntes Fachwissen. Deswegen machst du ja die Ausbildung.
"Ich war mit meinem Chef zusammen auf der Baustelle. Durch eine Unachtsamkeit seinerseits wurde mein Finger in einem Spanngurt eingeklemmt und abgerissen. Nach dem Krankenhausaufenthalt hat mich der Chef angegriffen und alle Schuld von sich gewiesen. Ich sei Schuld gewesen. Ich war fassungslos und hin- und hergerissen. Einerseits habe ich gerade einen Finger verloren, anderseit will ich trotzdem meine Ausbildung weitermachen. Wie soll das gehen, wenn ich es mir jetzt mit meinem Chef verscherze, sei es noch so ein Riesenarsch, und ich Schadensersatz fordere? Schließlich habe ich die Fresse gehalten. Irgendwie war auch Angst mit dabei. Ich habe die Ausbildung durchgezogen und bin abschließend abgehauen. Heute bereue ich es, dass ich meinem alten Chef nicht die Leviten gelesen habe. Jedes Mal, wenn ich die Geschichte mit dem Finger erzähle, ärgere ich mich über meine damalige Feigheit."