Es liegt auch immer etwas an dir, wie viel du dir während der Ausbildung gefallen lässt. Es gibt an sich einen relativ guten Schutz von Auszubildenden und ziemlich klare Richtlinien zu Ausbildungsinhalten. Zum Schluß musst du aber das einfordern was dir zusteht. Erfahrungsgemäß wird es dir nicht hinterher getragen werden. Wenn du nicht nur kehren oder lackieren sonder wirklich dein Handwerk lernen willst, musst du selbst aktiv werden.
Mit Kolleg*innnen, mit denen man sich gut versteht, kann man noch recht easy in der Mittagspause darüber quatschen was man lernen möchte. Es wird meist schwierig, wenn du wirklich vor der*dem "Chef*in" stehst oder dem Ausbilder, vor allem wenn eine klare Hierarchie besteht. Blöderweise sind das aber auch die Menschen, die konkret euren Betriebsalltag gestalten und somit gesagt bekommen müssen, dass dir etwas nicht passt. Auch wenn ihr ein freundschaftliches Verhältnis habt, bedarf es immer einer Überwindung Missstände anzusprechen. Meist lohnt es sich aber etwas anszusprechen und man fühlt sich danach besser.
Wenn du Kritik ansprechen möchtest, sollte das am besten geplant geschehen, dass heißt du solltest dir im bewusst sein, was genau du ansprechen möchtest und wie du deine Standpunkte begründen willst. Es hilft sich einen Zettel zu machen auf dem die Punkte stehen, damit du während der Aufregung auch nichts vergisst, vor allem wenn dir einmal konkret zugehört wird. Versuche auch kein Gespräch zwischen Tür und Angel zu machen, sondern sag deinem Ausbilder*In, dass du ein paar Sachen mit ihm besprechen musst (hierbei sollte der Spicker schon fertig sein, da er ja eventuell sofort ein offenes Ohr für dich hat). Lass dich während des Gesprächs nicht von deinem Standpunkt abbringen und beharre auf den Sachen die du ansprechen willst. Wenn du deinen Punkt vorgetragen hast und es Eingeständnisse/Kompromisse gibt, kläre direkt wie diese umgesetzt werden sollen. Dann hast du auch später noch was in der Hand. Hilfreich wäre es auch ein 6-Augen-Gespräch zu führen, vlt. mit einem Kollegen mit dem du gut kannst.
Dass man mit dem entsprechenden Fachwissen den Betrieb bereichern kann, hört jeder Chef gerne. Aber dann braucht die Vermittlung von diesem Wissen auch einen festen Platz im Betriebsalltag. Der Ausbildungsrahmenplan ist eine gute Argumentationsgrundlage. Vielleicht kannst du auch das Argument vorbringen, dass du auf der Baustelle nicht richtig effektiv mitarbeiten kannst. Auf der Baustelle kannst du nachfragen, wenn du etwas nicht verstanden hast, dass du auch mal etwas ausprobieren möchtest, etc. Eigeninitiative kommt manchmal noch besser an. Nimm dir einfach die Maschine, probier dich aus und lerne sie selbst kennen (bleib trotzdem vorsichtig). Vielleicht kannst du mit deinem Chef aushandeln, dass du jeden Freitag konkret handwerkliches gezeigt bekommst und du für die Zeit freigestellt wirst. Mit dem Betriebsheft kannst du nachweisen, dass du in letzter Zeit nichts konkretes gelernt hast, was dich im Handwerk weiter bringt.
"Ich war zwei Monate vor der Gesellenprüfung und sollte mit eine Handkreissäge einen senkrechten Schnitt in einer bestehenden Holzwand machen. Als ich sagte, dass ich sowas noch nicht gemacht hatte und fragte ob es mir jemand zeigen könnte wurde ich angeschnauzt das ich doch in zwei Monaten Prüfung hätte und sowas drauf haben müsste. Das sah ich genauso, aber war es meine Schuld, dass ich es noch nicht konnte? Das gab einen schönen Krach!"
Wenn das alles nichts bringt kannst du Gewerkschaft und Handwerkskammer einschalten. Schließlich machst du diese Ausbildung um was zu lernen. Du schaffst so weder deine Gesellenprüfung noch wirst du bei einer Arbeitsprobe in einem späteren Betrieb bestehen. Beiß in den sauren Apfel. Sag deinem Chef, dass du ein guter Handwerker werden willst. Mach nachdrücklich deutlich, dass du nicht nur zum kehren, schleppen und aufräumen die Ausbildung angefangen hast. Wenn alles nichts wird empfehlen wir dir den Betrieb zu wechseln.
"Ich habe meinen Chef mehrfach gesagt, dass ich für die Zwischenprüfung auch mal handwerkliche Tätigkeiten üben möchte, welche vielleicht nicht in den Arbeitsalltag passen, aber auch zur Ausbildung gehören. Er hat mich dann immer vertröstet und ich habe ihm dann gesagt, dass ich mich sonst bei der Handwerkskammer beschwere. Irgendwann durfte ich dann etwas üben, mit der Handwerkskammer hatte ich da schon telefoniert..."
"In dem Betrieb in dem ich angefangen habe war auch erst alles cool und mein Meister hat mir versprochen eine gute handwerkliche Ausbildung zu geben. Im Endeffekt stand ich aber 4 Stunden täglich allein in der Werkstatt und wusste nicht, was ich machen sollte. Kurz vor Ende meiner Probezeit habe ich mich dafür entschieden den Betrieb zu wechseln. Bei der Bewerbung habe ich gleich den Ausbildungsrahmenplan mit gehabt und gesagt, dass ich den gerne, wenn es zu einem Vertrag kommt durchgehen würde. Das Selbstbewusstsein und der Wille zum Lernen haben den Meister dann auch überzeugt mich einzustellen und ich hab von heut auf morgen meinem alten Chef Lebwohl gesagt. Seitdem läufts einigermaßen."
"Ausbildung kann nur dann stattfinden, wenn am Ausbildungsplatz ein Ausbilder oder ein Ausbildungsbeauftragter anwesend ist, der dich ausbildet. Laut § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBIG) muss der Ausbildende selbst ausbilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit beauftragen. Der Ausbilder oder die Person, die mit der Ausbildung beauftragt ist, muss dem Azubi Fragen beantworten und ihn in Arbeitsvorgänge einweisen. Er oder sie muss seine Arbeitsergebnisse kontrollieren und dafür sorgen, dass der Azubi alle wichtigen Ausbildungsinhalte erlernt. Diese Person muss fachlich und persönlich dafür geeignet sein um dich auszubilden. Du als Azubi darfst nicht alleine am Ausbildungsplatz sein oder nur in Gesellschaft von anderen Azubis, Praktikanten und Ungelernten, die als Ausbilder nicht geeignet sind. Alle Verstöße gegen diese Ausbilderpflicht sind eine Ordnungswidrigkeit und können nach §102 Berufsbildungsgesetz mit einem Bußgeld geahndet werden!"
zitat dr. azubi