Gewerkschaften sind für den*die einzele*n Arbeitnehmer*in auf Grund seiner Klassensituation von Bedeutung, aber eher als Dienstleister.
Sie sind in ihrer bestehenden Ausrichtung und Struktur nicht in der Lage oder auch nur Willens, den Klassengegensatz aufzuheben und eine revolutionäre Perspektive zu entwickeln.
Ob du es willst oder nicht, du hast zwangsläufig mit den Gewerkschaften zu tun. Für dich als Bauhandwerker*In ist die IG BAU zuständig, für Tischl*Innen vor allem die IG Metall. Sie sind es, die jedes Jahr den neuen Tariflohn aushandeln, der einen Bezugsrahmen für das Geld darstellt, was du von deinem Betrieb bekommst. In einigen Fällen kann es sehr günstig für dich sein, Mitglied in der Gewerkschaft zu sein, gerade wenn du Ansprüche an deinen Ausbildungsbetrieb stellst und sie rechtlich durchsetzen möchtest. Du kannst dich auch in der Gewerkschaft engagieren und aktiv mitmischen. Allerdings empfehlen wir dir, dich vorher über die Rolle der Gewerkschaften im Kapitalismus zu informieren – auch darüber, wo die Grenzen gewerkschaftlichen Handelns in Deutschland liegen. Dafür lohnt es sich zu verstehen, wie und warum Gewerkschaften entstanden und wie sie heute funktionieren. Dazu soll dieser Text einen Einstieg bieten.
Geschichte der GewerkschaftenMit der Industrialisierung und der Entwicklung des Kapitalismus verschärften sich weltweit die Interessengegensätze zwischen denjenigen, die die Arbeit leisteten und die auf einen Lohnerwerb angewiesen waren und denjenigen, denen die Fabriken, Ländereien und anderen Produktionsmittel gehörten. Während die Fabrikbesitzer*Innen möglichst viel Profit aus der Arbeitsleistung der Arbeiter*Innen herausschlagen wollten, hatten die Arbeiter*Innen ein Interesse an hohen Löhnen, Arbeitssicherheit, Urlaub und ähnlichem. Diese Interessen (auch Klasseninteressen genannt) stehen sich unversöhnlich gegenüber. Schnell war klar, dass der*die einzelne Arbeit*In dem*gegenüber dem*der Unternehmer*In machtlos war. Um diesen belastenden Zustand zu überwinden, organisierten sich die Arbeiter*Innen in Gewerkschaften. Die Gewerkschaften sind geschichtlich gesehen also die grundlegende Kampfform der Arbeiter*Innenbewegung im Kapitalismus, um gemeinsam eine bessere Verhandlungsposition zu erstreiten. Ziel der Gewerkschaften war es, die Klassengegensätze zu überwinden und mittels einer Revolution eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, in der jede*r glücklich leben kann, ohne mit einem Hungerlohn abgespeist zu werden. Die Produktionsmittel sollten allen gehören. Die Geschichte der internationalen sozialistischen Bewegung zu erzählen würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Auf jeden Fall haben sich durch die Entwicklung der Sozialdemokratie, durch die starke Einbindung gewerkschaftlicher Funkionär*Innen in den Staatsapparat, durch den kalten Krieg und den Niedergang des realen Sozialismus, durch die Entwicklung der Globalisierung und des Neoliberalismus die Funktionsweise und politische Ausrichtung der Gewerkschaften in Deutschland massiv gewandelt.
Aktuelle Situation in DeutschlandDie größte gewerkschaftliche Organisation in Deutschland ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). In ihm sind die meisten Gewerkschaften organisiert, unter anderen verdi, die IG Metall und auch die IG BAU. Die zentralistische Ausrichtung der Gewerkschaften in Deutschland liegt auch in der Niederlage der vereinzelten Gewerkschaften während des deutschen Faschismus begründet. Historiker*Innen meinen heute, dass ein Generalstreik vielleicht den Nationalsozialismus in seinem Aufstieg behindert hätte. Allerdings hat er eben wegen der Zersplitterung nicht stattgefunden. Die Alternative dazu, eben ein bundesweiter Dachverband hat aber auch einige Nachteile. Zum einen bedeutet er mehr Bürokratie, weniger Vielfalt in Organisationsformen und politischen Ausrichtungen. Und ist er erstmal in den Staat integriert, lässt er sich auch besser kontrollieren.
Und das ist der DGB. Es ist ihm z.B. gesetzlich verboten einen Generalstreik durchzuführen. Er ist durch zahllose Gesetze in seinem Wirken eingeschränkt und durch seine strenge hierarchische Ausrichtung in seinem politischen Wirken sehr weit von seiner Mitgliederbasis entfernt. Auch den Wunsch nach einen anderen Gesellschaftsform oder dem Vorsatz an dem Aufheben der Klassengegensätze zu arbeiten sucht mensch vergeblich. Stattdessen argumentiert der DGB ganz im Sinne einer Standortlogik für den unbedingten Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland und ist dafür auch zu massiven Lohnverzicht bereit. Hauptsache die Leute haben einen Job. Dass sie dabei relativ gesehen immer weniger verdienen, während die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinander klafft, wird einfach hingenommen. Mit der gleichen Argumentation werden Jobs in der Atom- und Waffenproduktion verteidigt. Auch die Idee nach mehr Verbesserung als ein paar Kröten mehr am Ende des Monats haben die inzwischen zahnlosen DGB-Gewerkschaften den meisten Arbeiter*Innen ausgetrieben. Weitergehende Proteste werden kanalisiert , kontrolliert und abgewürgt. Anstelle eine systemüberwindenden Ausrichtung ist der DGB zu einer wichtige Systemstütze geworden, samt Bekenntnis zum „gezügelten“ Kapitalismus und der parlamentarischen Demokratie. Kein Licht am Ende des Tunnels. Spartengewerkschaften wie die GDL (Gewerkschaft der Lokführer) sind nicht im DGB organisiert und zeigen auf, dass es auch anders geht. Auch ein Blick ins Ausland, bzw. nach Spanien lohnt sich.
Bedeutung für AuszubildendeAls Gewerkschaftsmitglied hast du, wenn dein Ausbildungsbetrieb im Arbeitgeberverband organisiert ist (erfährst du über die Gewerkschaft), Anspruch auf den vollen Tariflohn. Diesen kannst du zusammen mit der Gewerkschaft während oder nach der Ausbildung einklagen. Darüber hinaus bekommst du umfassende Beratungen und rechtliche Unterstützung, z.B. über Gewerkschaftsanwälte. Auch finanzierst du mit deinem Mitgliedsbeitrag indirekt natürlich die Leute, die den neuen Tariflohn aushandeln, der dir schließlich zusteht. Ohne eine breite Basis – also viele Mitglieder – haben die Gewerkschaften wenig Einfluss in den Verhandlungen. Das wirkt sich negativ auf ihre Verhandlungsposition aus. Auf der Website der IG BAU kannst du dich über viele weitere Vergünstigungen und Angebote für Gewerkschafter*Innen informieren.
Zwar bewegst du dich als Auszubildender in einem rechtlich stark geschützten Rahmen, aber oft brauchst du einen starken Partner, wie z. B. eine Gewerkschaft, um deine Rechte auch wirklich einzufordern. Bei Bedarf setzt sich die Gewerkschaft auch mit deinem Betrieb in Verbindung, so dass du zumindest direkt aus der Schusslinie kommst. Wenn du Informationen einholen möchtest, kannst du auch einfach bei der Gewerkschaft anrufen – meistens fragen sie dabei nicht nach, ob du auch Mitglied bist.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit die Gewerkschaft ins Ausbildungszentrum oder die Berufsschule einzuladen und dort Fragen zu stellen. Die meisten Schulen räumen dafür gerne Platz ein. Ansonsten hat auch die IG BAU Räumlichkeiten für Informationsveranstaltungen. Eine solche Veranstaltung ist unbedingt sinnvoll am Anfang der Ausbildung um dich umfassend über deine Rechte zu informieren. Meist ist es erschreckend, wie wenig Auszubildende da Bescheid wissen. Schaden kann es dir nicht.
Warum mehr aber nicht drin istSolltest du politisch mehr wollen als immer nur ein paar Tacken mehr, ist die Gewerkschaft vielleicht nicht der richtige Ort um dafür zu kämpfen. Die Gewerkschaften wollen nämlich laut ihren Statuten nicht mehr als das. Wenn du dich trotzdem für mehr einsetzt, wirst du schnell Ärger bekommen. Mehr als einmal gab es in der Geschichte der Gewerkschaften Säuberungswellen, in denen politisch unliebsame Mitglieder rausgeworfen wurden. In den 1980er Jahren wurde z.B. der gesamte GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) Landesverband West-Berlin aus dem DGB geworfen, weil er sich der reformistischen und zentralistischen Ausrichtung des DGB widersetzte. Auch bestehen Nichtvereinbarkeitsbeschlüsse mit linken Organisationen wie z.B. der Roten Hilfe (eine Solidaritätsorganisation für kriminalisierte Linke). Soll heißen, du darfst nicht in beiden Organisationen Mitglied sein.
Die Idee, sich als einfaches Mitglied bis nach oben hochzuarbeiten, um die Gewerkschaft wieder radikaler zu machen entspricht der Idee des „Gangs durch die Institutionen“. Am Beispiel der SPD oder der Grünen, die einst als radikale Parteien angetreten sind, kann man erkennen, welche Sogwirkung das System hat. Von den hehren Idealen ist nichts mehr übrig geblieben. Sie wurden zugunsten einer Machtposition durch pragmatische Politik ersetzt, die außer ein paar Schönheitskorrekturen an der Wirtschaftsordnung nichts änderte. Genauso ging es vielen linken Gewerkschafter*Innen. Und eine linke Massenbasis wird halt einfach rausgeworfen. Was also tun?
Es lohnt sich zu kalkulieren, ob du aus einer Mitgliedschaft einen Nutzen ziehen kannst. Wenn dem so ist, dann mach es. Aber weitergehendes politisches Engagement kannst du in anderen Zuammenhängen sinnvoller einsetzen, wie zum Beispiel in der basisdemokratischen und anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*Innen Union (FAU).