Krank werden und krank machen in der Ausbildung

Ablauf der Krankschreibung

Das mit der Krankschreibung ist so eine Sache. Prinzipiell finden wir es wichtig richtig, selbst zu entscheiden, wann man sich in der Lage fühlt arbeiten zu gehen oder auch nicht. Dabei sollte die deutsche Arbeitsmoral: "Ach ich geh auch arbeiten, wenn ich krank bin. Das ist nicht so schlimm, weil ich ja hart im Nehmen bin" keinen Einfluss auf deine Entscheidung haben. Wenn du dich nicht nach Arbeiten fühlst, dann solltest du es wahrscheinlich auch lassen. Denn dein Körper weiß manchmal mehr als du.

Laut Arbeitsrecht musst du dich unverzüglich, am besten vor Arbeitsbeginn, bei deinem Arbeitgeber melden und ihm Bescheid sagen, dass du nicht arbeiten kommen kannst. Er hat das Recht zu erfahren, wie lange du voraussichtlich krank bist. Wenn du noch nicht beim Arzt warst, musst du es selbst einschätzen oder nach dem Arztbesuch deine_n Chef_in nochmal anrufen, wenn er*sie das verlangt. Alleedings hat es ihn oder sie nicht zu interessieren, was du hast. Sollten doch Nachfragen gestellt werden, kannst du auch einfach sagen, dass du da nicht drüber reden möchtest. Dieser Anruf ist sicher das unangenehmste an der ganzen Krankschreibung. Der genervte Chef am anderen Ende der Leitung. Lass dich davon nicht von deinem Plan abbringen. Denk einfach an das Bett, in das du gleich wieder zurück kannst ;). Einen ärztlichen Attest brauchst du theoretisch nur, wenn du länger als 3 Kalendertage krank bist.

"Für mich war das zum Beispiel von Bedeutung, als es mir nur einen Tag richtig schlecht ging, ich früh meinen Chef anrief und fragte, ob ich für den einen Tag unbedingt zum Arzt gehen müsse. Der sagte dann: "Ne, dass passt schon" und somit war der Urlaubstag geritzt."

Wenn du aber länger als 3 Tage krank bist, dann muss der Schein spätestens am 3. Werktag im Betrieb einfliegen. In den meisten Fällen verlangt dein_e Chef_in aber auch schon eine Krankschreibung, wenn du nur einen Tag ausfällst. Das ist rechtlich zulässig, muss aber davor abgesprochen bzw. schriftlich festgehalten werden (Verweis Betriebsvereinbarung). Leider musst du dann schon am ersten Tag zum Arzt gehen und den Schein am besten gleich hin schicken. Es wird aber nur der gelbe Schein geschickt. Hinten dran ist noch ein anderes (meist weißes) Papier, dass an deine Krankenkasse geschickt werden muss.

Während der Berufsschulzeit ist sowohl im Sekretariat als auch in deinem Betrieb Bescheid zu sagen. In der Schule musst du spätestens am dritten Tag nach der Krankschreibung eine Kopie des Attestes vorzeigen.

Krank während des Urlaubs

Auf Grund von Krankheit dürfen dir keine Urlaubstage gestrichen werden. Im Gegenteil: Solltest du während der Urlaubszeit krank werden, so gelten diese Tage nicht als Urlaub und dürfen dir nicht als Urlaubstage angerechnet werden. Das musst du später mit einem Attest beweisen können.

"Einer meiner Mitauszubildenden hat sich immer Urlaub genommen wenn er krank wurde, um nicht negativ aufzufallen. Dass war einer, der alles hingenommen hat und sogar am Wochenende noch für den Chef gearbeitet hat. Als er das dann irgendwann nach der Ausbildung nicht mehr gamacht hat, warf in der Chef kurzerhand raus. Selber Schuld würde ich sagen…"

Welche*r Ärzt*in?

Du hast das Recht deine_n Arzt/Ärztin frei zu wählen. Dein_e Arbeitgeber_in darf dir nicht vorschreiben, zu welchem_r Arzt/Ärztin du gehen musst. Es sei denn, es bestehen "Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit". Dann darf der Medizinische Dienst der Krankenkasse eingeschaltet werden um dich erneut zu untersuchen. Wenn du aber nicht gerade nur an Brückentagen krank machst, ist das wirklich sehr unrealistisch.

Versuch deinem Chef nicht über den Weg zu laufen!

Während du krank bist solltest du aufpassen, was du machst, da du offiziell nichts unternehmen darfst, was den Heilungsprozess behindert. Hier musst du dich etwas geschickt anstellen. Sollte dich doch jemand von der Firma im Park bei schönem Wetter sehen, kannst du dich immer noch rausreden und sagen, dass frische Luft dir gut tut. Sei ggf. bei Ausreden ein bisschen kreativ und denke daran, dass es passieren kann, dass dich jemand von der Firma sieht. In der Bar oder Kneipe wird das wahrscheinlich eher schwierig.

Sollte dein Betrieb herausfinden, dass du du dich deinem Heilungsprozess aktiv verweigerst und dich in der Stammkneipe deines Chefes hemmungslos besäufst, kann es zu einer Abmahnung und im schlimmsten Fall zu einer fristlosen Kündigung kommen.

Wie lange darf ich in der Ausbildung krank sein?

Prinzipiell gibt es keine einheitliche Regelung, wie viele Tage du in deiner Ausbildung fehlen darfst. Eine Faustregel besagt 10-15%. Solltest du zu viele Fehl- bzw. Krankheitstage haben, könnte es sein, dass du von der Abschlussprüfung ausgeschlossen wirst. Jedoch sind das Einzelfalleinscheidungen. Wenn du zum Beispiel sehr gute Ergebnisse in der Schule und in der Zwischenprüfung erlangst, ist es wahrscheinlich so, dass dich der Prüfungsausschuss trotzdem zulässt, obwohl du 15% der Ausbildungzeit gefehlt hast. Die gehen dann davon aus, dass du die Inhalte doch verstanden hast. Genauso kann auch hier eine schulische Vorbildung eingerechnet werden.

Arbeitsunfall

Solltest du während der Arbeit krank werden, dann melde dich einfach bei deinem_r Ausbilder_in ab. Dann kannst du entweder nach Hause gehen oder halt noch zum Arzt/Ärztin. Wenn du dich im Betrieb verletzt, dann solltest du auf jeden Fall den Unfall protokolieren. Meist gibt es in den Betrieben einen Ordner oder Büchlein in dem du die Verletzung, den Zeitpunkt, eventuell Zeugen und andere interessante Dinge dazu eintragen kannst. Dies kann wichtig sein wenn sich zum Beispiel eine erst harmlos wirkende Schnittverletzung entzündet und du nachweisen musst, dass dir das im Betrieb passiert ist. Sonst hast du eventuell kein Anrecht auf Gelder aus der Kasse der Berufsgenossenschaft. Wenn du dich ernsthafter verletzt, musst du zu einem D-Arzt (Durchgangsarzt) gehen. Zu Arbeitsunfällen zählen auch Wegeunfälle, also auch Unfälle die auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstelle. Achtung ein Wegeunfall gilt erst ab verlassen der Haustür (nicht Wohnungstür). Umwege oder private Wege während der Arbeit oder generelle private Tätigkeiten bei der Arbeit sind keine Arbeitsunfälle. Wenn die Umstände es zulassen, ist ein Arbeitsunfall besser für dich (zum Beispiel hättest du im Ernstfall ein Anrecht auf eine "Rente" durch die Berufsgenossenschaft nach dem Unfall) als ein "privater Unfall". Wenn du also auf dem Weg zum Klo über ein Kabel fällst und dir ein Bein brichst, warst du eben nicht auf dem Weg zum Klo sondern um eine Schraubzwinge zu holen oder so was.

In der Berufschule oder im Überbetrieblichen Lernzentrum können andere, meist strengere Regeln gelten. Diese erfährst du meist durch die Belehrungen oder du erfragst sie bei dem dort zuständigen Ausbilder.

Widerspruch: cooler Betrieb, wirst gebraucht, tolles Verhältnis - aber brauchst/willst Urlaub

Wenn du in eine coolen Betrieb gelandest bist, können die Ratschläge, die bisher aufgetaucht sind, nicht immer helfen. Wenn man tatsächlich zusammenarbeitet und weiß wann, wo, wer gebraucht wird und es ohne dich nicht funktionieren kann, dann ist es schwieriger zu sagen, ich komme heute nicht.

„Ich komme mit meinem Chef super aus und bin in den meisten Bereichen ziemlich im Bilde. Als ich neulich krank war und mein Chef sich auch so verletzt hat, dass er nur im Büro arbeiten konnte, bin ich trotz Krankheit zum Betrieb gegangen und habs durchgezogen. Gut getan hat es mit nicht, ich bin länger krank gewesen als, wenn ich es direkt auskuriert hätte. Ich wollte meinen Chef, der eben ein Stück weit auch mein Kollege geworden ist, aber eben auch nicht hängen lasen.“

Dennoch muss du immer abschätzen wie weit du deinen Körper mit Arbeit oder Krankheit belasten möchtest. Die Arbeit lässt sich auf jedenfall leichter machen, wenn du physisch und psychisch fit bist. Da können machmal ein paar Tage Erholung besser sein als wochenlanges rumgekrauche.

Letztenendlich bleibt die mögliche Erkrankung eines Angesetellten auch Teil des unternehmerischen Risikos, auf das sich dein Chef eingelassen hat. Ist ja nicht so, dass ihr die Bude gleichberechtigt als Kollektiv betreibt. Im Zweifelsfalle ist dein Chef verantwortlich. Und er streicht auch die Gewinne und macht sich ein feines Leben, weil du den lukrativen, aber auch handwerklich geilen, Auftrag trotz Krankheit durchgezogen hast. Lässt sich eine solche Erfahrung (die du vielleicht später noch mal machen kannst) oder das kurzfristig gute Verhältnis zu deinem Chef (den du nach der Ausbildung vielleicht nie wieder siehst) mit dem Leiden einer langen Krankheit samt sozialer Nebenfolgen oder sogar eine chronsiche Erkankung durchs Verschleppen aufwiegen? Wie sind uns hier in der Gruppe selbst uneins und handhaben das verschieden.

Nachträglich krank schreiben

Auch hier wieder einmal ist die Gesetzeslinie ziemlich schwammig. Der/Die Ärzt_in darf dich nach gewissenhafter Prüfung bis zu zwei Tage rückwirkend krank schreiben. Bei einem Tag machen die Ärzte erfahrungsgemäß keinen Stress. Wenn nicht gehst du einfach zu einem anderen.

"Ich bin beim Thema krank schreiben im Laufe der Ausbildung immer skrupelloser geworden. Anfangs habe ich mich noch mit Fieber in den Betrieb geschleppt, um nicht negativ aufzufallen oder weil ich mir selber eingeredet habe, dass es schon so schlimm nicht sei. Irgendwann habe ich dann gemerkt wie Banane es ist, das Auskurieren auf den Feierabend oder das Wochenende zu schieben. Meine wenige freie Zeit wollte ich nicht im Bett verbringen. Zum Ende der Ausbildung habe ich einfach ehrlich geschaut, was ich gerade brauche und das gemacht, auch wenn es mal zwei freie Tage zusätzlich in der Woche bedeutet hat."

Psychische Erkrankungen

Ein Thema, dass erst so langsam in der deutschen Öffentlichkeit ankommt. Dabei waren bzw. nach offiziellen Schätzungen 2011 etwa 13 Millionen Arbeiter*Innen an einem Burnout erkrankt. Depression wird inzwischen als "Volkskrankheit" Nr. 1 beschrieben. Es handelt sich hierbei also nicht um eine Lapalie. Und natürlich können auch Auszubildende von psychischen Erkrankungen betroffen sein. Sicher, im besten Fall kommt es erst gar nicht dazu. Achte auf deine Körpersignale und mach dich für die Ausbildung nicht fertig, das ist es nicht wert. Wenn du merkst, dass du frühs gar nicht mehr hoch kommst, weil du Stress oder Kopfkino hast, dann mach dich gefälligst zum Arzt und rede darüber. Dann geh nicht auf Arbeit und unternimm etwas dagegen! Wir können und wollen hierfür keine direkten Hilfestellungen geben, weil individuelle Situation zu vielschichtig sind um allgemeine Ratschläge zu erteilen. Nur das, nimm es nicht auf die leichte Schulter. Du bist deswegen nicht schwach oder sonst wie fehl am Platz in der Ausbildung.

"Ich war noch nie krank!!", "Das geht schon!", "Wegen dem bisschen Schnupfen bleib ich nicht zu Hause!"…

Was für dumme Sprüche. Gesellen, die lauthals meinen, sie hätten in ihrem langen Berufsleben noch keinen einzigen Tag wegen Krankheit gefehlt, findet man auf dem Bau immer wieder. Nur zu gerne erzählen sie dir das, wenn du gerade nach einer Krankheit in den Betrieb kommst. Lass sie labern. Selbst wenn es stimmt würden wir sagen, dass da einer was gründlich verbockt hat. Argumente für diese Meinung haben wir oben genügend angeführt, um diese braven blöden Deutschen einfach nur auszulachen.

Krank machen

In jeder Stadt kursieren ein paar Namen von Ärzten, bei denen man ohne Probleme ein Attest bekommt. Bei einigen kann man sagen, dass man einfach ein paar Tage frei braucht um nicht umzuklappen. Stress in der Familie, auf der Arbeit, Geldproblem und so weiter. Kaum ein Arzt würde jetzt kommen und sagen, jetzt stellen sie sich mal nicht so an. Bei anderen Ärzten kann man sich am Empfang ein Attest für beliebig viele Tage abholen. Mit ein wenig rumfragen in Szenekreisen kriegt man auch die Namen raus.

So ein paar total Kaputte haben vor ein paar Jahren eine Broschüre namens "Lieber krank feiern als gesund schuften" verfasst, in der sie beschrieben haben, wie Krankheitssymptome gut vorgetäuscht werden können und wie lange eure Krankheit dann anhalten würde. Die Broschüre ist seit Jahrzehnten ein Hit und auf jeden Fall immer noch aktuell. Besser als sie können wir es auch nicht beschreiben.

Berufskrankheiten

Arbeit kann in vielerlei Hinsicht krank machen. Es gibt Krankheiten oder Unfälle, welche konkret auf ein Ereignis zurückgeführt werden können. Bei täglicher Belastung deines Körpers können sich über Jahre/Monate Schäden einschleichen, bei denen du nicht mehr sagen kannst, wie genau das jetzt zu Stande gekommen ist. Aber auch hierbei musst du nicht bis zum Umfallen arbeiten. Solche Berufskrankheiten sind, wie soll es anders sein, in einem Gesetz hinterlegt. Hier und über Link zu dem Faltblatt kannst du wichtige Informationen und welche Krankheiten als Berufskrankheiten gelten nachlesen.

Nur so viel von uns: Berufskrankeithen sind anzeigepflichtig. Wenn also der Arzt einen Verdacht auf Berufskrankheit hat, muss er das mit Information an dich der Berufsgenossenschaft mitteilen. Dies gilt übrigens auch für den Arbeitgeber.

http://www.baua.de/de/Publikationen/Faltblaetter/F3.html http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_7/__9.html http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bkv/gesamt.pdf Berufsgenossenschaften

Sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Du bist automatisch über sie versichert, wenn du eine Ausbilding beginnst. Die BG versucht durch Öffentlichkeitsarbeit Betriebsunfälle vorzubeugen. Wenn du eine Berufskrankheit bekommst oder einen schweren Arbeitsunfall erleidest, bekommst du durch die BG finanzielle Unterstützung. Irgendwann in deiner Ausbildung wird sie im Ausbildungszentrum auftauchen und dir ein paar Tipps zum richtigen Heben, Tragen und so weiter zeigen. Man kann sie auch anhauen und selber eine Veranstaltung mit ihnen organisieren, zum Beispiel für Zimmereispezifische Tätigkeiten.

DIE VERLORENE ZEIT vor dem tor zur fabrik hält der arbeiter plötzlich an das schöne Wetter hat ihn am rock gezupft und als er sich umwendet die sonne betrachtet die rot leuchtet und beendet lächelt im bleigrauen himmel zwinkert er ihr vertraulich zu sag kamerad sonne meinst du nicht auch man sollte verdammt bedenken einen solchen tag dem chef zu schenken Jacques Prevert

1 Kommentar

  1. Dr.Bob sagt:

    Vielen Dank für den ausführlichen Artikel:)
    LG

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